Ich schreibe gerne kurze Texte von skurillen Situationen aus meinem Leben oder über Begebenheiten, die mich beschäftigen. Natürlich kommt dabei ein wenig Theatralik hinzu. Mir gefällt es, Ereignisse noch einmal zu überdenken und von verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Aerobic, eine Hassliebe
Nach einer langen Sommerpause war es wieder so weit: „Endlich wieder Aerobic!“ Seit Tagen, nein seit Wochen zähle ich die Minuten, bis ich endlich wieder Sport machen darf. Na gut, Sport machen ist vielleicht übertrieben, also die Aerobictrainerin macht auf jeden Fall Sport in ihrer Stunde. Aber wir, ich? Um ehrlich zu sein, senke ich mit meinem jugendlichen Alter von Mitte Zwanzig den Altersdurchschnitt meiner Sportgruppe um einiges. Der Großteil überschreitet schon die sechzig oder mehr. Warum nicht? Ich habe dadurch viele Vorteile! Da ich von Natur aus, was Sport angeht eher nicht so begabt bin, liegt es am Durchsetzungsvermögen der Trainerin, mich zum Schwitzen zu bringen.
Und jetzt kommt der große Vorteil bei einer Turngruppe mit älteren Frauen teilzunehmen: Man stelle sich eine bis zu den Ohrläppchen durchtrainierte, ausserordentlich hübsche und junge Aerobictrainerin mit einem hautengen Ganzkörpersportanzug vor, die sich energisch auf den Boden wirft und den Countdown für die Situps einzählt: “Wir beginnen in 4, 3, 2, 1 ...“ Das sich spätestens nach dem achten Situp eine 55- jährige Hausfrau neben mir schwer atmend auf die Matte plumpsen lässt und liegen bleibt, ist verständlich. Natürlich – großmütig wie ich bin – setzte ich dann auch aus. Wäre doch unhöflich der Frau gegenüber.
Aber jetzt nach den Sommerferien hab ich mir vorgenommen, dass ich heute nicht so schnell aufgebe, schließlich machte sich der Schlemmerurlaub in Italien doch um die Hüften bemerkbar. Nach einer kurzen Pause folgen die nächsten selbstmörderischen Übungen, wie Liegestützen, wildes Rotieren mit den Armen.
Wie diese Aerobictrainerin mit ihren blitzend weißen Zähnen nur durchgehend so fröhlich sein kann? Wahrscheinlich würde sie immer noch lachen, wenn sie beide Beine um den Hals gespannt hätte und
nur auf einer Hand balancieren würde, schließlich ist das gut für die Oberarmmuskulatur!
„Und lächeln!“ Lächeln? Habe ich einen Grund zu lachen, wenn ich mit hochrotem Kopf und zusammengekniffenen Augen versuche, in der Bauchlage Hände und Füße von mir zu strecken und stundenlang über
dem Boden zu halten?
Wenn ich bei jedem Schritt (sorry: "Stepp") den stechenden Schmerz eines für morgen früh angekündigten Muskelkater spüre? Ich merke jedes Mal wieder, wie es in mir brodelt, wie ich anfange sie zu hassen, wie in meinem Kopf im Takt der Stepps vulgäre Beschimpfungen pulsieren! „Und noch eine Runde!“ Wie? Nochmal eine Runde? Die will uns doch verarschen! Noch mal 10 Liegestützen? Na gut: drei mach ich noch mit, aber dann, dann werde ich all meine gequält lächelnden Mitstreiterinnen gegen sie aufhetzten, indem ich lauthals in die Halle brülle, dass ihre Art, mit uns umzugehen an „Schinderei“ grenzt. Aber, oh Wunder, bis ich mir endlich schlüssig war, welche Einleitung meine Rede haben soll, hatte ich die 10 Liegestützen mit Bravour gemeistert und die Stunde "Nahtoderfahrung" neigte sich dem Ende zu. Wie hat sie das geschafft? Sofort überkommt mich ein schlechtes Gewissen, ein Schauer, der mir von meinen Billigturnschuhen bis hin zum rosa Stirnband durchfährt. Wie konnte ich sie nur so beschimpfen, sogar gegen sie auflehnen wollte ich mich! Mit betroffenem Blick und bedauernder Miene dehnte ich meinen rechten Oberschenkel. Das hat sie nicht verdient, sie ist eine Meisterin auf ihrem Gebiet, eine Künstlerin, wie konnte ich nur so von ihr denken, sie will uns doch nur helfen! Hoffentlich hatte sie es nicht gemerkt, dass ich ihr während der vorletzten Klimmzüge die Krätze an den Hals gewünscht habe. Nachdem ich die Bodenmatten aufgeräumt hatte, blieb ich vor ihr stehen und schenkte ihr nach all diesen Strapazen das breiteste Lächeln, wünschte ihr noch einen wunderschönen Abend und ging.
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